Zur Bemessung der Frist zur Nachbesserung im VW-Abgasskandal

OLG München, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 U 4316/16

Zur Bemessung der Frist zur Nachbesserung im VW-Abgasskandal

Tenor

1. Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

2. Der Streitwert wird auf 15.900,00 € festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
1
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91a Abs. 1 ZPO.

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Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

3
Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind.

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Vorliegend sind der beklagten Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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1) Sach- und Streitstand; Verfahrensgang

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Gegenstand der Klage war ein Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises für einen vom Kläger am 20.04.2015 bei der Beklagten erworbenen gebrauchten PKW Golf Trendline BlueMotion Technology 1,6l TDI 77kw 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 6,3 Cent je gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Grund für den zuvor am 11.12.2015 vom Kläger erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag war, dass der PKW mit der im Rahmen des in der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung „VW-Skandal“ bekannt gewordenen so bezeichneten „Schummel-Software“ ausgestattet war und die Beklagte, eine VW-Vertragshändlerin weder innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist noch auch nur bis zum 14.03.2017 den nach Auffassung des Klägers darin zu sehenden Mangel behoben hat. Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 10.10.2016 die Klage abgewiesen. Es ließ offen, ob überhaupt ein Sachmangel vorliege. Jedenfalls sei die vom Kläger der Beklagten gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung bis 23.11.2015 eindeutig zu kurz. Im Hinblick darauf, dass der Hersteller, der sich um die Mängelbeseitigung in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt bemühe, bereits angekündigt hat, dass diese in den nächsten Monaten kostenlos vorgenommen werde, sei dem Kläger ein Zuwarten jedenfalls bis Ende Dezember 2016 zumutbar.

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Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein, der die Beklagte entgegentrat. Nachdem der Senat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22.03.2017 anberaumt hatte, teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 14.03.2017 mit, dass zwar die Mangelbeseitigung immer noch nicht vorgenommen worden sei, die Beklagte aber mit Schreiben vom 8.3.2017 angekündigt hat, das Fahrzeug zurückzunehmen und die Finanzierung bei der V. Bank abzulösen. Die bisher vom Kläger bezahlten Finanzierungsraten würden inklusive Zinsen erstattet, von dem sich daraus errechnenden Betrag würden 2.000 € abgezogen. Unstreitig wies das Fahrzeug bereits am 06.09.2016 einen Kilometerstand von 80.162 km auf.

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Mit Schriftsatz vom 14.03.2017 erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf zu erlegen. Mit Schriftsatz vom 20.03.2017 stimmte die Beklagte der Erledigterklärung zu und beantragte, dem Kläger die Kosten auf zu erlegen, da das Berufungsvorbringen nicht geeignet gewesen wäre, die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils des LG Traunstein zu begründen.

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2) Zur Erfüllung der klägerischen Ansprüche durch die Beklagte

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Regelmäßig sind der beklagten Partei, die durch Erfüllung der streitgegenständlichen Ansprüche das erledigende Ereignis herbeigeführt hat, die Kosten des Verfahrens zu überbürden, da sie sich durch dieses Verhalten gleichsam freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat (vgl. OLG Frankfurt MDR 1996, 246). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die beklagte Partei deutlich macht, dass andere Motive als die Anerkennung der Berechtigung der gegen sie geltend gemachten Ansprüche für ihr Verhalten bestimmend waren (OLG Frankfurt aaO. gegen OLG Karlsruhe, MDR 1986, 240f. das eine eindeutige Erklärung der beklagten Partei, mit der Erfüllung der Ansprüche deren Berechtigung anzuerkennen, forderte). Umstritten ist, ob es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach sich aus der freiwilligen Erfüllung der streitgegenständlichen Ansprüche die Kostentragungspflicht ableiten lässt oder ob in der Erfüllungshandlung nur ein widerlegbares Indiz zu sehen ist. Der BGH geht von ersterem nur dann aus, wenn das Prozessverhalten der beklagten Partei keinen anderen Grund haben kann als den, dass der Rechtsstandpunkt der Klagepartei hingenommen wird (BGH, NJW-RR, 2012, 688f, Tz. 12).

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Die Beklagte hat ihr Verhalten dem Senat gegenüber schriftsätzlich nicht erläutert und auch aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der Beklagten an ihn vom 8.3.2017 lässt sich das Motiv der Beklagten für die Erfüllung der klägerischen Ansprüche (in Ansehung der abzusetzenden Nutzungsentschädigung sogar über die vom Kläger gestellten Ansprüche hinausgehend) nicht ersehen. Allein der Antrag, dem Beklagten mögen die Kosten auferlegt werden, weil das angefochtene Urteil zugunsten der Beklagten richtig gewesen sei, vermag hier nicht schlüssig zu erklären, was denn nun das bestimmende Motiv für die Beklagte gewesen sein soll. Geht man davon aus, dass die Erfüllung der klägerischen Ansprüche dem Zweck geschuldet war, eine obergerichtliche Entscheidung zu den aufgeworfenen Fragen zu verhindern, so ändert dies nichts daran, dass damit im konkreten Verfahren der Rechtsstandpunkt des Klägers akzeptiert wurde. Das aber ist im Sinne der Entscheidung des BGH (NJW-RR 2012, 688f, Tz. 12) eine „Hinnahme“ des klägerischen Rechtsstandpunkts, die nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Konsequenz hat, auch die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen.

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3) Zum voraussichtlichen Prozessausgang

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Unabhängig davon entspricht hier es hier der Billigkeit im Sinne von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf zu erlegen, da nach derzeitiger Aktenlage auch nicht damit zu rechnen gewesen wäre, dass das landgerichtliche klageabweisende Urteil bestätigt worden wäre. Zum einen hat der Senat keinen Zweifel daran, dass ein „Blue-Motion“-Golf, der mit einer Software ausgestattet ist, die ausschließlich auf dem Rollenprüfstand einen anderen – niedrigeren – Schadstoffausstoß generiert als er im Echtbetrieb zu erwarten wäre, mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ist. Dies gilt völlig unbeschadet von den zwischen den Parteien streitigen Fragen des tatsächlichen Schadstoffausstoßes des Fahrzeugs im Echtbetrieb einfach deshalb, weil das Kraftfahrtbundesamt wie auch die entsprechenden Behörden im benachbarten Ausland – aufgrund des „VW-Skandals“ allgemein bekannt – prüfen muss, ob eine Entziehung der Betriebserlaubnis geboten ist, wenn der Hersteller innerhalb einer angemessenen Frist nicht für Abhilfe sorgt. Um letztere ist, auch dies ist allgemein bekannt und zwischen den Parteien unstreitig, VW ersichtlich bemüht und hat deshalb auch angekündigt, kostenlos die entsprechenden Maßnahmen an den mit der „Schummelsoftware“ ausgestatteten Fahrzeugen vorzunehmen. Die Darstellung der Beklagten, VW betreibe diesen mit beträchtlichen Kosten verbundenen Aufwand nur aus „Kulanz“, ist als perplexer Parteivortrag insoweit unbeachtlich, da dies, träfe es denn zu, den Vorwurf der Untreue im Sinne von § 266 StGB gegen das Management des VW-Konzerns begründen würde.

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Zutreffend hat zwar das Landgericht erkannt, dass die vom Kläger im vorliegenden Fall gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung von ca. 6 Wochen zu kurz war. Zutreffend war auch die Erwägung des Landgerichts, dass die Setzung einer zu kurzen Frist zur Nacherfüllung nicht ins Leere läuft, sondern die angemessene Frist in Gang setzt. Der Senat ist aber abweichend vom Landgericht der Auffassung, dass die Frist zur Nacherfüllung beim Erwerb eines PKW im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB nicht länger als ein Jahr sein kann. Denn Sinn der Bestimmungen über die Nacherfüllung ist es, dem Vorrang der Vertragserfüllung vor anderen Gewährleistungsrechten Ausdruck zu verleihen. Die Bindung des Käufers über einen Zeitraum von 12 Monaten hinaus ist damit nicht mehr zu rechtfertigen, zumal sich faktisch durch die Pflicht des Käufers, Nutzungsentschädigung an den Verkäufer zu entrichten, bei einer Bindung von mehr als einem Jahr trotz nicht vertragskonformer Leistung des Verkäufers ein zusätzliches Rücktrittshindernis für den Käufer ergibt und der Verkäufer insoweit einen unbilligen Vorteil erlangen würde. Anders formuliert: Die Frist zur Nacherfüllung darf nicht so bemessen werden, dass damit der auf Austausch von Ware gegen Geld gerichtete synallagmatische Kaufvertrag in eine Art Dauerschuldverhältnis umgewandelt wird.

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Im vorliegenden Fall hat der Verkäufer, der sich insoweit das Verhalten des Herstellers zurechnen lassen muss, da er sich dessen Mithilfe zur Nacherfüllung zu nutze macht, innerhalb von mehr als 14 Monaten nicht die Nacherfüllung zu Wege gebracht und muss daher den Rücktritt des Käufers hinnehmen.

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4) Zu § 574 ZPO

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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Zwar geht der Senat davon aus, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen einen in der Berufungsinstanz ergehenden Beschluss nach § 91 a ZPO nicht schon wegen des Regelungsgehalts des § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist (so BGH, NJW-RR 04, 999). Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Klärung materiell-rechtlicher Fragen kommt aber wegen der ohnehin nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage durch das Ausgangsgericht nicht in Betracht (so BGH, NJW-RR 2006, 566 und öfter).

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